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"Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist ..."

Aktualisiert: 18. Juni 2023


Depeche Mode
Depeche Mode

Depeche Mode - Inspiration und Zuflucht mitten unter Tausenden – warum ich als hochsensibler Mensch auf Live-Konzerten entspannen kann ...


Um 05.45 h klingelte an diesem Morgen mein Wecker. Es ist Mittwoch. Eigentlich ein ganz normaler Tag. Aber was sind schon „normale“ Tage? Reden wir lieber von den weniger „normalen“ – z.B. den besonderen Tagen. Die, die für immer in Erinnerung bleiben. Wie zum Bespiel das Live-Konzert von „Depeche Mode“ am 06. Juni 2023 in Düsseldorf. Ich war erst um ca. 01.30 h nachts wieder daheim und schlich mich leise ins Wohnzimmer, um nach meiner Fellnase #MarlaPeppels zu schauen. Sie war natürlich putzmunter, als sie mich reinkommen hörte, blieb jedoch ruhig. Dafür knutsche sie mich ab, als hätte sie mich monatelang nicht gesehen (Hundebesitzer kennen das ;o) .

Wie passt Hochsensibilität und ein lautes Live-Konzert unter ca. 60.000 Menschen zusammen?

Zugegeben: Depeche Mode live zu erleben ist schon eine ziemliche Hausnummer. Ich hatte zum 4. Mal das Vergnügen. Beim ersten Mal stand ich direkt an der Bühne vor Dave Gahan. Als bei einer seiner ekstatischen Tanzeinlagen seine Schweißtropfen auf mich flogen, war ich am nächsten Morgen erst um 8 Uhr zu Hause, stand fast zwei Tage wie unter Drogen und überlegte, ob ich jemals wieder duschen sollte.

Beim zweiten Mal verfolgte ich das Live-Konzert der Band aus der V.I.P.-Lounge mit zahlreichen Cocktails und einem eigenem Barkeeper. Als ich zur Toilette musste, durfte ich mir beim Pinkeln unfreiwillig zusehen, da die Wand gegenüber komplett verspiegelt war. Spätestens da wusste ich, dass mir diese Luxus-Variante komplett am Arsch vorbeiging. Livefeeling ging anders.

Wenn ich ein Live-Konzert wirklich erleben wollte, dann an der Bühne inmitten von mitsingenden (kreischenden) und tanzenden Fans, die um sich herum alles vergaßen. Oder mit Kamera in der Hand, um die einzigartigen Momente an der Bühne für immer einzufangen.

Konzertkarten
Kleiner Auswahl der von mir besuchten Live-Konzerte ;-)

Mein erstes Live-Konzert habe ich mit etwa 17 Jahren besucht. Heimlich! Anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen. Wenn man in dysfunktionalen Familienverhältnissen aufwächst, wird man erfinderisch, um sich aus all’ den unnötigen Verboten und Zwängen zu befreien. Ich hatte zu dem Zeitpunkt tolle Freunde. Genauer gesagt Verbündete. Uns alle vereinte, auf ein oder andere Weise, ein ähnliches Schicksal: schwierige Elternhäuser oder der Kampf um Akzeptanz. Akzeptanz als das, was wir waren, denn wir ließen uns nicht in Wunschschablonen pressen. Wir alle waren Freigeister, auf irgendeine Weise besonders begabt und gleichzeitig verletzte, jedoch starke Seelen. Wir setzten uns zusammen aus Musikexperten, Philosophen, hochbegabten Handwerkern usw. Wohlgemerkt: wir waren quasi noch Teenager - kurz vor dem Absprung ins Erwachsenenleben. Doch wir wurden meist nur auf unser Äußeres reduziert. Am Liebsten schwarz gekleidet, mit zotteligen oder teils kahlgeschorenen Köpfen, galten wir als rebellisch und nicht gesellschaftsfähig. Kaum jemand schaute genauer hin oder hörte uns wirklich zu, um unser Potential zu entdecken. Talente, die in uns schlummerten, wurden weder aufgespürt, noch gefördert. Jedenfalls nicht durch die Menschen, die es hätten tun sollen: unsere Eltern. Es gab nur einige wenige unter uns, bei denen das Elternhaus zumindest halbwegs intakt war und bei denen wir als Freunde ihrer Söhne oder Töchter willkommen waren. Ich erinnere mich noch an zwei Elternpaare aus der damaligen Zeit, bei denen ich sogar jedesmal herzlich empfangen wurde und dort einige Male übernachten durfte. Es kam mir dann immer vor, als würde man mir Asyl gewähren. Natürlich ließ ich mir das nicht anmerken und nahm die Gastfreundschaft dankbar an.

Jede Nacht, die ich in Frieden (ohne Zank und laute Streitereien) verbringen konnte, war für mich Erholung pur.

Auf Live-Konzerten tobten wir uns vor den Bühne aus

... oder standen lauschend mit einem Bierchen in der Hand mitten im Rausch der Menschenmenge und vergaßen alles um uns herum. Wir dachten nicht an gestern und schon gar nicht an morgen. Wir lebten im Hier & Jetzt. (Erst viele, viele Jahre später wurde mir das bewusst. In einer Zeit, in der ich völlig entwurzelt war und immer noch nach meiner inneren Heimat suchte.) Ja, auf den damaligen Live-Konzerten war es meist sehr laut, oftmals menschenüberfüllt und stickig.

Für mich fühlte es sich jedoch an wie ein Kokon.

Je mehr ich mittendrin war, um so sicherer fühlte ich mich.

Es gab nur noch die Musik, Menschen, die dazu wild tanzten oder diejenigen, die außerhalb standen, das laute Treiben beobachten, ihren Gedanken nachgingen, um jene Momente einfach auf ihre Weise zu genießen. Ich fühlte mich sicher unter ihnen. Sicher vor meinem „Zuhause“. Niemand von dort hatte Zugriff auf mich. Zumindest in den meisten Fällen nicht. Ich war quasi abgetaucht. Erst mit den Jahren lernte ich, dass ich zunächst bei mir selbst ankommen musste, um mich wirklich Zuhause zu fühlen.

Beginnt man damit, gut zu sich selbst zu sein, ist das der Schlüssel zur Heilung.

Mein Leben vor und hinter der Bühne

... war mein Zufluchtsort. Ich fühlte mich dort wohl und bewunderte stets die Menschen, die musikalisch begabt waren und sich auf die Bühne trauten. Ich hörte und schaute ihnen gerne zu. Sie noch dazu persönlich kennenlernen zu dürfen, war ein besonderes Geschenk für mich, für das ich noch heute sehr dankbar bin. Der Austausch mit ihnen - oftmals spät in der Nacht nach den Live-Konzerten - war mehr als nur ein Gespräch hinter der Bühne und verschlossenen Türen. Ich durfte in ihre Seele blicken und vieles über sie erfahren – über Menschen jenseits des Mainstreams. Auf diese Weise kam ich zur Konzertfotografie. Doch das ist eine andere Geschichte ...

Depeche Mode

Heute, fast zwei Jahrzehnte später, bin ich wieder nur die Konzert-Besucherin. Die Welt hat sich verändert. Sie ist um ein Vielfaches schnelllebiger geworden. Der Rausch der Live-Konzerte ist heute ein anderer. In Zeiten der Energiekrise, von Kriegen beherrscht, sind Konzert-Ticket’s fast schon Luxus. Viele kleinere Live-Clubs haben die Corona-Pandemie nicht überlebt. Live-Musik verlagert sich immer mehr auf die großen Bühnen der Welttourneen. Kleinere, unbekanntere Liveact’s haben es dadurch nochmal um ein Vielfaches schwerer. Das Geschäft des Musikstreamings gewinnt immer mehr an Fahrt. Musik passiert heute mehr auf dem Kopfhörer via Smartphone & Co. und wird dadurch mitunter immer weniger tatsächlich „erlebbar“. Das Abtauchen in virtuelle Welten verleitet uns dazu, das wahre Leben um uns herum zu vernachlässigen. Wir flüchten vor einer all’ zu schnelllebigen Zeit.

Live-Musik ist und bleibt für mich ein besonderes Erlebnis

Es ist, als schulde ich den Bühnenkünstlern, als eine scheinbar aussterbenden Art, die letzte Aufmerksamkeit. Klingt sehr melancholisch, ich weiß. Doch so fühlt es sich für mich an. Früher machte uns das Erleben von Live-Musik zu Verbündeten. Egal, ob man sich persönlich kannte oder nicht. Man hatte vor der Bühnen die gleiche stickige Luft eingeatmet oder in der brütenden Sonne auf einem Open-Air-Festival schweißdurchtränkt einzigartige Momente genossen, dieselben Texte und Klänge gehört. Man war eine verbundene, pulsierenden Masse von tanzenden und lauschenden Gleichgesinnten.

Depeche Mode
Depeche Mode

Dieses Live-Konzerte war anders. Ich fühlte mich wie eine Fremde unter Fremden. Ich war froh, meine Freundin und einen Freund an meiner Seite zu haben. Bei "Ghosts Again" kullerten meiner Freundin die Tränen über's Gesicht. Ich war sehr ergriffen, denn ich konnte gut nachempfinden, was gerade in ihr vorging. Sie hatte binnen kürzester Zeit zwei Menschen verloren, ihre beiden Haustiere und eine schwere Entscheidung getroffen. Sie befand sich mitten im Umbruch ihres Lebens, der längst überfällig war.

Der Song "Ghosts Again", der aktuellen Platte "Moment Mori", erinnert mich stark an die Melancholie der 80er Jahre und die Synthie-Hits aus jener Zeit, in denen der Weltschmerz noch verkraftbar zu sein schien. Während des Konzertes, eine Reihe weiter, war eine Frau eingeschlafen. Meine Freundin und ich hegten kurz den Gedanken, ob die Frau vielleicht gar nicht mehr lebte?! Klingt verrückt, aber nicht abwegig. Denn zugegeben: wir waren alle keine Teenager mehr. Wer heute ein Live-Konzert von Depeche Mode besucht, befindet sich im Durchschnitt mitten unter Ü-50igern. Als die Frau sich dann zwischendurch wieder bewegte und die Augen öffnete, waren wir erleichtert. Nach Ende des Konzertes war nichts mehr von der Gemeinsamkeit unter den Konzertbesuchern zu spüren. Auf den Parkplätzen wurde gedrängelt und laut gehupt (ohne Sinn & Verstand), kein freundliches Vorlassen – jeder schien sich selbst der Nächste zu sein. Nach ca. 1,5 Stunden wartend auf einem Parkplatz unter Tausenden von Fahrzeugen, sitzend im PKW in der Dunkelheit nachts um ca. 23.30 Uhr, übten wir uns in Gelassenheit und machten uns mitunter sogar schelmig über diejenigen lustig, die uns mit ihren PKW’s trotzig den Weg versperrten. Eine andere Art von Gleichgesinnten unter sich, die es scheinbar alle eilig hatten und dabei Freundlichkeit und Zuvorkommenheit völlig vergaßen. Zwischendurch rutsche uns der ein oder andere laute Fluch über die Lippen und wir mussten hinterher über uns selbst lachen. Den Humor haben wir nicht verloren. Wir spürten die innere Treue uns selbst gegenüber. Gemeinsam erlebte Live-Musik nährte unsere Seelen. Ja – wir sind nicht die Alten geworden, sondern geblieben! Die, die wir immer waren. Authentisch. Ehrlich. Aufrichtig. Fühlt sich gut an. Auch, wenn wir inzwischen eine Minderheit zu sein scheinen. Ich kam mir wieder ein bisschen vor, wie ein Dinosaurier. Jedoch ist Sterben das eine, Aussterben das andere! Und Letzteres jagt mir tatsächlich ein wenig Angst ein.


Nun sitze ich hier an meinem Schreibtisch - nach nur ca. 3,5 Stunden Schlaf. Ich bin hundsmüde - im wahrsten Sinne des Wortes. Schließlich kann ich meiner Fellnase schlecht erklären, dass sie bitte bis 11.00 Uhr mit dem Gassigehen warten möge, da ich meinen Musikrausch ausschlafen muss *lol*. Schlaf kann man nicht nachholen, hab ich mir mal sagen lassen. Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt. Ich habe es noch nie bewusst ausprobiert. Derweil ich hier ganz für mich allein in meinem Arbeitszimmer vor mich hintippe, meinen Tee genieße und mein gedankliches Gewusel zu Buchstaben und Wörtern kreiere, kann ich tatsächlich entspannen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das Erlebnis dieses Konzertes mit zwei besonderen Menschen an meiner Seite teilen durfte. Meine Freundin Ricci und ich kennen uns nun schon über 30 Jahre. Es gab Höhen und Tiefen in unserer Freundschaft. Gute und schlechte Zeiten. Und doch saßen wir nun wieder zusammen auf einem Live-Konzert. Ja, wir saßen ;-) - früher standen wir stundenlang meist direkt in der Nähe der Bühne. Sei's drum. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Geteilte Freud' ist doppelte Freud! Achja: Depeche Mode sind selbst in Alter von rund um die 60 immer noch der absolute Hammer! Ich hörte sie das Erstemal im Alter von 12 Jahren und empfand sie damals für mich als eine Art musikalische Offenbarung. Dass sie es weit bringen würden, verwunderte mich nicht – selbst heute ohne Andrew Fletcher (der liebe „Gott“, oder wer auch immer, hab ihn selig!). Ihre derzeitige Tour „Momento Mori“ soll uns die eigene Sterblichkeit bewusst machen. Das ist auf jeden Fall gelungen (s.o. zum Thema Dinosaurier …).

Ich sage mir an der Stelle: carpe diem – oder: carpe noctem. Man weiß schließlich nie was morgen ist ... Bleibt achtsam :-)


Eure Alex (vom Team Alexografie) P.S.: DANKE an Erik & Ricci für’s Begleiten, das gemeinsame Erlebnis, das sichere Abholen und wieder Nachhausebringen und an Majoo für dieses besondere Geschenk!

"Nicht unsere Expertise bleibt in Erinnerung, sondern die Geschichten, die wir erzählen. Geschichten, die auf unseren eigenen Erfahrungen beruhen. DAS sind WIR. Alexografie."

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© Alex We Hillgemann 07. Juni 2023 / Alexografie

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