Was haben Troisdorf und Berlin gemeinsam?!
Oder genauer gefragt: was hatten Troisdorf und Berlin einmal gemeinsam?!
(weitere Fotos: -> https://www.alexografie.de/berlin)
Die Antwort darauf liegt bereits einige Jahrzehnte zurück, als Troisdorf vor allem in Künstlerkreisen noch als „das kleine Berlin des Rhein-Sieg-Kreises“ bezeichnet wurde. Zu damaligen Zeiten verfügte Troisdorf über eine sehr viel buntere und lebendigere Kunst- und Kulturszene, als heute. Ja, man könnte sie durchaus auch als "wilder" bezeichnen. Vor allem auch zu Zeiten des sogenannten „Kaiserbau“, der am 13. Mai 2001 gesprengt und oftmals als zentrale Ideenschmiede verschiedener Künstlergemeinschaften genutzt wurde. Z.B. die in den Jahren 2002 bis 2007 aktive Künstlergruppe andersARTic!, welche dem „Kaiserbau“ mehre Ausstellungen widmete sowie im Jahr 2007 die Ausstellung „TroMoSomen“ (Troisdorf von Montag bis Sonntag) im Troisdorfer Rathaus. Ebenfalls die in den 80er/90er Jahren recht lebendige Punk- und Rockabilly-Szene sowie die zahlreichen Szenekneipen und Disco's (z.B. „Saga“, „Litro Pinte“, „Revolution“ bzw. das spätere „Excess) prägten das Stadtbild von Troisdorf mit und waren damit auch Treffpunkt für diese gesamte Szene.
Doch nun zu Berlin:
Seit Anfang der 90er Jahre besuchte ich diese pulsierende Stadt regelmäßig - zuletzt im September 2014.
Die Veränderungen in diesen ganzen Jahren, von überfällig über notwendig bis waghalsig, sind enorm. Allem voran der Prenzlauer Berg (heute ein Bezirk von Pankow) übt nach wie vor die größte Anziehung auf mich aus. Und ich habe keine Erklärung dafür: gleich beim ersten Besuch damals fühlte ich mich dort zu Hause – zu einer Zeit, als der sogenannte „DDR-Flair“ fast noch vollständig anzutreffen war. Die Eindrücke, die mir diese Stadt damals vermittelte, waren teils erschreckend beeindruckend. Das liegt unbestrittenen an der beispiellosen Geschichte dieser Stadt, die durch eine Mauer über 28 Jahre lang in Ost und West geteilt wurde und somit das Schicksal unzähliger Menschen besiegelte. So konnte ich auch mit echten Berliner Urgesteinen, bei der ein oder anderen Bulette, öfter mal ein Schwätzchen halten und Geschichten erfahren – von lustig bis enorm traurig und dramatisch – die sonst eher im Verborgenen bleiben – wahre Geschichten von echten Zeitzeugen.
Aber ebenso beeindruckte mich damals die Musikszene, die ich Seite an Seite zweier Musiker in Berlin kennenlernen durfte. Die Kamera war natürlich ebenso mein ständiger Begleiter. Obwohl ich ehrlich zugeben muss: die Eindrücke dort nahmen mich oftmals so sehr gefangen, dass ich fast das Fotografieren vergaß! Und nicht nur damals. Auch in den späteren Jahren verzichtete ich bei bestimmten Momenten bewusst auf das Fotografieren und genoss einfach nur das Innehalten. Ungewöhnlich für jemanden, dem das Fotografieren soviel bedeutet und sicherlich auch ein Grund dafür ist, warum ich in den späteren Jahren immer wieder bestimmte Orte in Berlin aufsuchte, um die Veränderungen aufzuspüren – alles andere als schwierig: denn nichts ist rasanter in Berlin, als die Veränderung (wenn man vom „BER“ in gewisser Weise einmal absieht) und damit alles andere, als übersehbar.
Überschattet wird dies jedoch ganz besonders vom rasanten Anstieg der Wohnungsmieten, der für viele Familien dort existenzbedrohend ist und den akuten Wohnungsmangel - insbesondere am Prenzlauer Berg. Nur eines von vielen weiteren Problemen, denen sich der Berlin zuwenden muss.
Nun gerade wieder in Troisdorf angekommen, vermisse ich eines sofort: die Berliner Schrippen – hier zu Lande besser bekannt als Brötchen ;-). Die Schrippen, die ich jeden Morgen frisch auf den Frühstückstisch bekam, sind einfach ausgezeichnet und schmecken nach „früher“, als das Backhandwerk noch ein wirkliches Handwerk war und alltäglich direkt in der Backstube hinter dem Verkaufstresen ausgeübt wurde. Was hab ich mich als Kind immer auf die Sonntage gefreut, wenn die Brötchen von unserem Bäcker auf unsere Fensterbank gelegt wurden. Aber da komme ich dann doch wohl zu sehr vom eigentlichen Thema ab.
Sicherlich treibt mich auch immer wieder die Erinnerung nach Berlin: zwei Menschen, die mir im Leben sehr nahe waren, die in Berlin aufgewachsen sind und viel zu früh gehen mussten ... Im Herzen trage ich die beiden immer bei mir – vor allem auf meiner Reise nach Berlin und dann freue ich mich, dass ich diese beiden Menschen in meinem Leben kennenlernen durfte. Menschen, mit Berliner Schnauze, deren Fröhlichkeit und Lebensmut mich immer angespornt hat, nach vorn zu blicken, die Widrigkeiten des Lebens nicht immer all' zu Ernst zu nehmen und die kleinen Dinge im Leben zu schätzen.
Was habe ich also diesmal von Berlin nach Troisdorf mitgenommen?
Die Lockerheit, die Freundlichkeit, die Hilfsbereitschaft – vor allem am Prenzlauer Berg - die dort anzutreffen war, vermisse ich hier doch mehr. Nicht, dass Troisdorf eine unfreundliche Stadt ist – ganz bestimmt nicht. Aber dennoch war Troisdorf in den 80er/90er-Jahren Berlin ähnlicher, als heute und verdiente daher zu Recht die Bezeichnung „Das kleine Berlin des Rhein-Sieg-Kreises“. Ich vermisse hier besonders auch die damalige Kneipenszene mit den vielen Live-Gigs der Bands aus der Region und darüber hinaus. Die sogenannten „Aggerfeten“, bei denen es für die Jugend selbstverständlich war, ihren Müll ordentlich zu entsorgen oder gar mit nach Hause zu nehmen und darauf zu achten, dass die Landschaft ringsherum nicht verschandelt wurde.
Die Feten auf der damals noch zugänglichen Insel am Rotter See, die selten nur trockenen Fußes erreichbar war - unvergesslich! Pläne, die nicht lange brauchten, um in die Tat umgesetzt zu werden – frei von beeinflussenden Massenmedien, ohne Smartphone, Tablett & Co.
Doch sicherlich ist das nicht nur in Troisdorf so – das Gefühl von „zu viel“ Veränderung. Es ist der Gang der Zeit, wie es ihn immer schon gab. Oder … ist er im 21. Jahrhundert doch schon ein ganzes Stück rasanter geworden?
Die Erkenntnis, dass in Berlin unlängst viele Kulturen Seite an Seite leben, war mir nicht neu. Und das ist ganz bestimmt etwas, dass ebenso in Troisdorf zum Alltag gehört. Der Austausch verschiedener Kulturen untereinander belebt die Kunstszene und macht sie dabei interessant und spannend. Hoffen wir, dass dies in kreativer Hinsicht so bleibt oder vielleicht weiter wachsen wird. Sicherlich mag es anmaßend sein, sich in kulturellen und künstlerischen Belange mit einer Stadt wie Berlin messen zu wollen – aber warum nicht? Das kann doch für jede Stadt nur Positives bedeuten. Und jeder Einzelne kann in Troisdorf etwas zur positiven Entwicklung beitragen. Zum Thema Stadtentwicklung wird man es nie allen Bürgern Recht machen können – das liegt in der Natur der Sache und dem Verständnis der jeweiligen unterschiedlichen Lebensauffassung eines jeden Einzelnen. Ohne Kompromisse ist eine Umsetzung von Projekten kaum möglich. Und ohne Kompromisse gäbe es keine Demokratie!
"Die Demokratie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse machen kann,
ist für die Demokratie nicht zu gebrauchen." sagte schon einst Helmut Schmidt (Bundeskanzler von 1974 – 1982).
Wahrscheinlich könnte ich über die ganzen Jahre hinweg fast schon ein Buch füllen und die Erlebnisse und Eindrücke, die ich bei all' meinen Besuchen in Berlin gewonnen habe, niederschreiben. Doch hier lasse ich dann lieber Bilder sprechen.
Eine kleine fotografische Zeitreise ist daher hier zu finden:
Ärgerlich ist für mich jedoch immer noch, das zur damaligen vordigitalen Zeit, einiger meiner Fotografien (aus Anfang der 90er Jahre) bei einem Wasserschaden fast komplett vernichtet wurden. Aber: die einzigartigen Erinnerungen* werden bleiben! * In Memory of Regine & Lutz :-(
Mein Dank gilt all' denen, die mich während meiner Berlin-Reisen begleitet haben, mir
oftmals auch Unterkunft gewährten, mich mit Kaffee und leckeren Schrippen am frühen Morgen und guter Musik versorgten :-) - unvergessen ...!
© Alex We Hillgemann / Alexografie
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