Es ist nun schon fast zwei Jahre her und dennoch ist seit dem Tag längst nicht alles so, wie es einmal war.
Obwohl vor allem Marla inzwischen alles gut überstanden hat - körperlich - ist ihr Verhalten gegenüber großen Hunden, die sie nicht kennt, fast jedes Mal ein kleiner Weltuntergang: sie bellt aus Leibes Kräften. Das hat sie zuvor nie getan. Aber seit dem 13. Juli 2018 ist vieles anders ...
Seinerzeit gingen meine Mutter und ich mit Marla gemeinsam Gassi. An der Straße entlang grenzte einige hundert Meter weit entfernt ein Wald.
Marla war angeleint und wir gingen einfach des Weges entlang. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, sprang ein Husky auf uns zu und verbiss sich in unsere kleine, gerade mal 10 Monate "alte" Marla und schleuderte sie mit aller Wucht hoch ... Noch schlimmer: ein zweiter Hund (Mischling) vom selben Grundstück kam hinzu und attackierte uns.
Ich habe um meine kleine Marla gekämpft wie eine Löwin und meine äußerlichen Verletzungen und Wunden habe für mich in den Sekunden keinerlei Rolle gespielt. Es zerriss mich dafür fast innerlich.
Ich kann das bis heute mit Worten kaum beschreiben, was sich vor meinen Augen abspielte.
Ich spürte keine Schmerzen. Ich wollte nur Eines: unsere Marla retten! Ich weiß, das hätte verdammt schief gehen können ... Aber das Herz einer Hunde-Mama setzt scheinbar Kräfte frei, die ich bis dahin selbst noch nicht kannte.
Meine Mutter, die dies alles mit ansehen musste, stellte sich noch schützend vor uns. Sie schlang ihre Arme um mich und versucht die beiden Hunde mit abzuwehren, um Schlimmeres zu verhindern. Sie hat danach sehr lange gebraucht, um dies alles zu verarbeiten.
Eine Frau mit einem PKW sammelt uns von der Straße auf. Ich konnte mich dananach nur noch bruchstückhaft an alles erinnern - vor allem daran, wie Marla währenddessen vor Schmerzen jaulte. Es ging durch Mark und Bein! Die Schreie unseres kleinen Hundes waren das Grausamste, was ich bisher je in meinen Leben gehört habe! Das bekomme ich niemals mehr aus meinem Kopf.
Wenige Minuten nach dem Angriff brach Marla komplett zusammen. Mein Herz stand beinahe still ... Ich konnte kaum noch atmen. Wir hatten Glück, unmittelbar eine Tierarztpraxis zu finden, die Marla aufnahm und stabilisierte. Die Tierhalterhaftpflicht-Versicherung des Gegners bzw. der Besitzer der beiden ungesicherten Hunde ersetzte uns zwar nach kurzer Zeit die Tierarztkosten, doch
die seelischen Schäden usw. blieben dabei natürlich leider auf der Strecke. Wir mussten Marla von Grund auf wieder aufbauen und nahezu bei Null anfangen. Für solch einen jungen Hund ist ein derartiges Ereignis nahezu unüberwindbar.
Ich selbst hatte danach lange Zeit Alpträume und musste hart an mir arbeiten, um überhaupt wieder "normal" Gassi gehen zu können. Bei jedem großen Hund, der uns unangeleint entgegenkommt, habe ich ein ungutes Gefühl im Magen.
Marla mussten wir lange Zeit danach wieder aufbauen. Nur in kleinen Schritten konnten wir sie wieder daran gewöhnen, mit uns spazieren zu gehen und ihre Ängste zu überwinden. Das war harte Geduldsarbeit. Aber vor allem mit viel, viel Liebe haben wir es geschafft.
Der Streit mit den Hundebesitzern, der dabei entstand, ist eine zusätzliche Belastung für uns gewesen. Natürlich erstatteten wir unmittelbar nach dem schrecklichen Vorfall Anzeige.
Kürzlich musste ich genau an der Stelle entlang (ohne Marla!), an der dies alles damals passiert ist. Und wieder war besagter Hund - ein Husky - ungesichert auf dem unverschlossenen Grundstück! Ich war in diesem Moment mehr wütend, als erschrocken. Die Besitzer haben offensichtlich nichts dazu gelernt - unfassbar. Böse Erinnerungen stiegen in mir hoch. Erst im Nachhinein erfuhren wir von der schlechten Haltung des Husky's und dass es bereits zuvor ähnliche Vorfälle in der Nachbarschaft gab, bei dem ebenfalls ein kleiner Hund fast zu Tode gebissen wurde. Die Ermittlungen dauerten lange und unsere Nerven lagen blank. Die zuständigen Ämter der betreffenden Stadt zeigten sich nicht sehr kooperativ und ließen uns lange, lange Zeit im Ungewissen darüber, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um künftig zu verhindern, dass sich ein derartiger Vorfall noch einmal wiederholte.
Ein Gedicht, welches ich damals darüber geschrieben habe, half mir dabei, dieses traurige Erlebnis besser verarbeiten zu können ...:
Aus dem Alexografie-Blog-Archiv im Juli 2018:
Herzschlag
Springst auf Deinen vier Pfoten so voller Frohsinn,
durch Laub, Gehölz und Gras dahin.
Bei Regen Sonnenschein und Wind,
huschst Du dahin geschwind.
Ein Grashalm kitzelt Dein kleines Näschen,
am Waldrand entdeckst Du ein Häschen.
Bist noch so klein und unerfahren,
kennst sie längst noch nicht, all‘ die Gefahren,
die überall dort draußen lauern,
hinter Tür, Zaun und hohen Mauern.
An jenem Tag läufst Du frohen Mutes,
in Deinem Wesen wohnt nur Gutes.
Willst die Welt weiter erkunden,
drehst mit uns Deine Runden.
Und von einen auf den anderen Tag,
war es fast der letzte – Dein Herzschlag.
Es ging alles so unfassbar schnell,
die Zähne fletschend mit lautem Gebell,
kam er wie aus dem Nichts gerannt,
eh ich die Gefahr erkannt.
So voller Schreck und grellem Schmerz,
stach es mit voller Wucht tief in mein Herz,
als Du jaultest laut und wimmernd,
Dein eigenes Herz, das nur noch flimmert,
als ich Dich schützend in meine Arme riss,
der Angreifer nicht von Dir ließ.
Die Mutter, meine, ein Herz aus Seide,
schlang ihre Arme um uns beide.
So schützte sie Dich und mich,
obwohl die Angst so fürchterlich.
Der Schutz gelang in letzter Sekunde,
das Böse wagte noch eine Runde,
verbiss sich in Dein junges Fell,
mit seinem lautstarken Gebell.
Vier Arme an der Zahl
bewahrten Dich vor weiterer Qual.
Lagst nun am Boden und wimmerste laut,
obwohl der Angreifer längst vergrault.
Ich sah kein Blut
und fasste Mut:
war alles doch noch gut gegangen?
Der Schreck nahm uns zu sehr gefangen,
als dass ich erkannte, was geschehen,
konnte vor Tränen kaum noch sehen.
Die Frau im weißen Kittel,
gab Dir gegen den Schmerz ein Mittel.
Eine Spritze stach in Dich hinein,
Du bist noch so jung und klein.
Kaum vermochte ich hinzusehen,
innerlich begann ich zu flehen,
dass nichts Schlimmeres geschehen sei,
hoffte, das alles geht ganz schnell vorbei.
Doch Deine kleine Seele ist tief verletzt,
fühlst Dich nun ringsherum stets gehetzt.
Jedes Geräusch läßt Dich erschrecken,
in der Nacht willst Du mich mit Knurren wecken,
dann nehme ich Dich in meine Arme ganz fest,
bis die Angst wieder von Dir lässt.
So schläfst Du friedlich wieder ein,
denn Du fühlst, Du bist nicht allein!
Meine Wunden sind bald verheilt,
das bringt die Zeit, die sich nicht eilt.
Es sind nur Kratzer und Blessuren,
sie hinterlassen am Ende nur ein paar Spuren.
Das Erlebte macht die Nacht zum Tag,
die Seele ist die, die sich erholen mag.
Wir danken dem Schutzengel, der uns zur Seite stand,
unsichtbar in seinem gütigen Gewand.
Und die Mutter, welche ist meine,
die so mutig ist, wie keine!
So beschützten wir Dich Seite an Seite,
bis das Böse von Dir eilte.
Hast uns schon viel Freude im Leben geboten.
Bist unser Fellkind - auf vier Pfoten.
Mögest Du Dich ganz bald erholen
und auf Deinen kleinen, leisen Sohlen,
freudig toben, schnuppern und springen,
den Menschen wieder Freude bringen.
Und die Moral von der Geschicht‘:
das Tier ist das Böse nicht.
Es ist der Mensch, der es verfehlte
und sein Wesen derart qäulte.
Denn die Geschicht‘ ist leider wahr:
der Mensch ist der größte Narr,
auf dies Welt viel Unheil richtet
und aus manchem Tier ein Monster züchtet.
Und ich weiß seit jenem grausigen Tag:
Du, auf vier Pfoten … bist mein
Herzschlag.
© A. W. H. - im Juli 2018